Im Herbst 2011 war ich in den USA unterwegs, genauer gesagt: vor allem in Utah und Arizona. Es war ein klassischer Roadtrip, mit Mietauto und vielen Motels, Ausgangspunkt die unwirkliche Fata Morgana Las Vegas.
Die seltsamen Szenerien des Colorado-Plateaus haben mich schon immer angezogen, und es war grandios, diese nun endlich mit eigenen Augen sehen zu dürfen. Dabei war meine größte Überraschung vielleicht die Vielfalt von Landschaften auf relativ engem Raum, von der kakteenbestandenen Wüste ist es nicht weit bis zu den kanadisch anmutenden Wäldern der Gebirgsinseln.
Aber in erster Linie haben es mir die öden Wüstenlandschaften und Badlands angetan, deren Farben- und Formenvielfalt kaum in Worte paßt. Am meisten sieht man orangerote Fels-und Canyonlandschaften und dazwischen weite Grasebenen mit Pferden und Bisons, wie aus alten Cowboyfilmen und man kann sich darin die Postkutschen, Indianer und John Waynes vorstellen.
Die Erosion hat sich tief in die Sandsteinschichten der Colorado-Platte gefräst und dabei die unglaublichsten Strukturen geschaffen. Man denkt an Mond oder Mars oder einfach an Orte ohne geographische Bestimmung, wie Traumlandschaften durch die auch brennende Giraffen stolzieren könnten. Es gibt schokoladenfarbige Schichten und auch magentafarbene, sogar tiefblaue und lilane. Ist die Natur ein experimentierfreudiger Tortenbäcker?
Bizarre Formen, Felsnadeln wie Fabeltiere, tiefe Schluchten, Durchbrüche, Felsaugen und Bögen, vom Wind geschliffene Bruchkanten, vom Wasser zu Achterbahnen ausgemergelte Flußläufe, heiß am Tag, kalt in der Nacht, versandet und in Springfluten wieder überschwemmt. Dünen türmen sich auf, Klapperschlangen wachen über Auswaschungen, Hochplateaus ragen über Canyons, an deren Boden der Coloradofluß sich wie ein winziges grünes Band dahinwindet. Sonnenstrahlen tasten sich die dunklen ausgewaschenen Wände klammenger Schluchten hinunter, legen einen wahren Regenbogen an Farbnuancen im Sandstein frei und brechen sich an den steineren Voluten, die das Wasser hinterlassen hat. Im Querschnitt eines Canyons ist das gigantische Tetris der Erosion zu sehen: die Gipfelschicht des einen Landstrichs bildet die Basisschicht an einer anderen, erst weniger abgetragenen Stelle.
Diese Bilder sind ein Loblied auf die Natur, die alles umwälzt. Es sind Momentaufnahmen eines vielleicht ehernen Augenblicks, aber doch eben nur eines Augenblickes im Angesicht von Äonen – Danke, Erosion.